Cortison – kompromiss- & hemmungslos

Cortison war eine relativ kurzlebige, aber sehr intensiv-experimentelle Band, die sich 1979 unter dem SMC-Label formierte. Gründungsmitglieder waren Doris K. -vocals  (Tilly Palmolive), sowie Man de Jounette – sax  und Michael Cryftz – drums! Später kamen als Gäste noch Fritz X. – specials, sowie Fred Heimermann – guitar und Rollo Xerm – guitar hinzu. Die Band war jederzeit für immer neue tonale Überraschungen gut. Hier wurde der Grundstein für die etwas später gegründete Freigeist-Kapelle „der Verdacht“ gelegt! Es war eine wilde, unberechenbare Zeit und Cortison war der erste tonale Ausdruck  einer neuen  rock-basierten, freien Musik!

scannen0014scannen0015

Neon Kits – die erste Punk-Band Aachens

Es begann 1978 im „Roxy“ – der damals angesagtesten Kneipe/ Disco in Aachen. Bei einem Tresengespräch  zwischen Achim Hoh  und Michael Cryftz entstand die Idee, eine Band zu gründen. Hoh (Gesang) und Fred Heimermann (Gitarre) hatten schon damit begonnen, etwas Hausmusik zu betreiben und als zweiten Gitarristen Paul Schwerdt mit ins Boot geholt. Nachdem verschiedene Schlagwerker getestet, aber für ungeeignet befunden wurden, einigten sich Hoh (Frost) und Cryftz (Molotov) an jenem Abend im Roxy darauf, einen Versuch zu wagen! Die ersten Sessions in Cryftz´ Proberaum in der Beeckstraße waren der Hammer! Schnell war klar, dass man die Ideal-Besetzung gefunden hatte – jetzt fehlte nur noch der Bassist. Nach einem kurzen Gastspiel von Tom Sprothen am Bass, stieß der Engländer John Rayner (C.I.F. London) dazu – und die endgültige Besetzung stand!

scannen0007

Die Besetzung der Neon Kits (v.l.n.r.:) Fredi Vileda (g), T.V. Neon (g), Mike Molotov (dr),  Johnny Frost (voc), C.I.F. London (b), 1978!

 

Wie alles begann …

Scannen0009

Das Bildnis zeigt einen nachdenklichen jungen Mann, der 1975 eine spinnerte Idee hatte.

Es war die Vision einer freien Musiker-Kooperative in der sich Musiker aller Stilrichtungen treffen sollten, um in wechselnden Besetzungen neue Wege der Klangerzeugung zu gehen.

Ich hatte damals erst zwei Jahre zuvor mit dem Trommeln begonnen und darin eine meiner großen Leidenschaften entdeckt.

Ich weiß noch, wie ich eines Abends mit meinem alten Sauf-Kumpan Erlend nach einem Jazz-Konzert im Malteserkeller abhing und ihm meine Vorstellungen von dieser Sache zu erläutern versuchte. Wie dem Kind einen Namen geben? Trotz aufrichtiger Bemühungen war eigentlich nix Gescheites dabei und als wir schon aufgeben wollten, kam dann einer von uns beiden auf die glorreiche Idee, sie „Einfache-Musik-Gesellschaft“ zu nennen, „ver-englischt“ dann: „Simple Music Corporation“ – kurz „SMC“.

So wurde an jenem Abend unter unwürdigen Umständen ein Label gegründet, dass 40 Jahre später (hätte mir das damals einer erzählt, ich hätte ihn für durchgeknallt erklärt) immer noch existieren würde.

Für mich persönlich sehr hilfreich waren die Erfahrungen, die ich durch das Zusammenspiel mit diversen Jazz-Musikern in diesen Jahren machte. Besonders hervorheben möchte ich die denkwürdigen Sessions mit den beiden Free-Jazz-Schlagzeugern Paul Lovens und Paul Lytton. Deren Interpretation von neuem Schlagzeugspiel war für mich als Neuling faszinierend und sollte auf mein eigenes Trommeln später nicht unerheblichen Einfluß haben.

Müßig darüber zu schreiben, welchen Instrumentariums sie sich bei ihren Konzerten bedienten, man mußte es einfach gesehen haben, es war der absolute Wahnsinn und kann nur mit ärmlichen Worten beschrieben werden.

Es war eine wilde Zeit, in der es vornehmlich allen darum ging, alte, festgefahrene und erstarrte Strukturen aufzubrechen und neuen Klangwelten Raum zu geben. A jolly good time was!

Mich reizte vor allem die Überlegung, ob diese völlig freie Art des Musikmachens, welche ich aus dem Jazz kennengelernt hatte, auf das Genre der Rockmusik übertragbar sei.

Viele Weggefährten zählte ich auf dieser Reise durch neue, phantastische Klangwelten, wobei nicht alles automatisch auch gut war, nur weil es neu war. Aber es erweiterte den eigenen Horizont ungemein, die Sensibilität für das Spiel mit anderen wurde durch die Improvisation merklich gesteigert. Es waren blutige Anfänge, aber sie bildeten die Basis für die nachfolgenden Bands kommender Jahre unter diesem Label – so unterschiedlich sie auch sein mochten!
Wo Bild- und Tonmaterial noch in einigermaßen erträglichem Zustand sich erhalten haben, wurden sie den Postings beigefügt!
In diesem Sinne: Ab dafür!

Scannen0008

Blattgrün

Nach zahllosen Sessions mit unterschiedlichsten Musikern war Blattgrün die erste „richtige“ Band unter dem SMC-Label. „Richtig“ in dem Sinne, dass hier zum ersten Mal eine feste Besetzung über einen längeren Zeitraum zusammenspielte.
Hier wurde zum ersten Male versucht Rock-Strukturen und freie Improvisationen miteinander zu verbinden – mit manchmal gutem und manchmal auch zweifelhaftem Erfolg.
Die Besetzung von links nach rechts:
Erlend Remie – guitar & bass
Don Alkebulan – percussion
Mike Molotov – drums & metals
Thorwald Menzel – organ
Gunnar Schillings – bass, guitar & vocals
Das Foto gibt die Szene wider, als ich – zum wiederholten Male – die beiden Streithähne Erlend und Gunnar zum Handschlag mit „Versöhnung“ auffordern mußte, da sich die beiden Herren zum x-ten Mal darüber in die Haare gekommen waren, wer denn nun „Haupt-Gitarrist“ und „Haupt-Bassist“ dieser Kapelle sei – eine Frage, die ich auch heute, nach 35 Jahren – nicht beantworten kann.!
Stark von Bands wie „Amon Düül 2“ und „Gong“ beeinflußt fand sich die Gruppe Mitte der Siebziger im musikalischen Niemandsland der „Nach-Hippie“- und „Vor-Punk“- Bewegung wieder.

800+Phon+Group+(2)

Scannen0063

800 Phon Group

Besetzung v.l.n.r.:
Erlend Remie – guitar & bass
Gunnar Schillings – bass & guitar
Willi Kappes – vocals, guitar & keyboards
Mike Molotov – drums & metals
Thorwald Menzel – organ

Irgendwann 1977 traf ich Willi Kappes, der damals in Aachen einen Ruf als skurrilster „Allein-Unterhalter rockig-experimenteller Prägung“ hatte und sprach ihn nach einem Solo-Konzert am Elisenbrunnen auf seine musikalischen Vorlieben an. Er lud mich damals zu sich nach Hause ein und noch bevor es zu einem Gespräch kam, mußte ich mir alle Presseberichte Aachener Zeitungen über seine nicht wenigen Konzerte in Aachen und Umgebung ansehen, durchlesen und kommentieren. Willi war schon ´ne Marke!

Das war ein denkwürdiger Nachmittag für mich bei ihm zu Hause und lange noch mußte ich über dieses Treffen bei ihm nachsinnen. Kurz darauf durfte ich das legendäre Willi Kappes- Konzert in der „Neuen Galerie“ miterleben, das sogar mitgeschnitten wurde und wo der Aufnahmetechniker, wie der Kassierer und der Solist auf der Bühne in Personalunion Willi Kappes war. Das Konzert war irre – anders kann man es nicht beschreiben – „Soldatenlied“ und „Engel des Todes“ waren die Hits und ich kann mich gut erinnern, dass nach ein, zwei Gitarrenriffs eine Textzeile kam, dann wieder ein Riff – wieder eine Textzeile – und so fort, aber niemals zusammen. Ohrenbetäubender Sound aus einem selbstgebasteltem Equipment und seine kehlige, sich manchmal überschlagende Stimme forderten dem Zuhörer das letzte ab!

Später entdeckte und kaufte ich den Live-Mitschnitt auf Single (weltweite Auflage: 200 Stück) und bin stolzer Besitzer dieses Meilensteins Aachener Untergrund-Kultur!

Nach diesem Konzert trafen wir uns zu einigen „Proben“ im SMC-Keller, damals in der Schule Beekstraße – es war die Blattgrün-Besetzung ohne Don, aber dafür mit Willi!

Und Willi wollte uns als seine Band called: „Willi Kappes 800-Phon-Group“!

Es waren chaotisch-infernalische Klang-Gewitter, die da auf uns alle einströmten und wir hatten einige Tage alle unseren Heidenspaß, mußten aber nach wenigen Wochen mit zerrütteten Nerven aufgeben.

Die Idee einer gemeinsamen Band hatte sich nicht durchsetzen können – wenn sie überhaupt zu einem Zeitpunkt jemals ernst gemeint war! Es gab Ton-Aufnahmen dieser denkwürdigen musikalischen Zusammenkünfte, wurden aber bei einem Wohnungsbrand in Erlend´s WG von den Flammen zerstört! So sind die einzigen Dokumente einige wenige Foto´s – aber was soll´s – that´s Life!

Die Geschichte wird fortgesetzt…